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Pia Christina Prenner

Heute ist Zeugnistag. Wir haben das seltsamste Sommersemester aller Zeiten erfolgreich überstanden. Ich finde, das ist ein Grund, um allen Kindern und Eltern da draußen auf die Schulter zu klopfen und einmal zu sagen: "Hey, ihr habt in diesen ungewöhnlichen Monaten Großartiges geleistet!"

 

Was mich persönlich betrifft, so war das Arbeiten im Homeoffice ja nichts Neues für mich. Tatsächlich wäre es wohl die größere Umstellung für mich, wenn man mich plötzlich wieder zusammen mit mehreren Leuten in ein Büro stecken würde. Ich würde wohl schiefe Blicke ernten, wenn ich beim Programmieren Musik hören und zwischendurch immer wieder laut mitsingen würde. Und ich wäre genervt von jedem unerwarteten Geräusch neben mir, wenn ich an einem Roman schreiben würde. (Erwiesenermaßen kann ich neben Zügen und Baustellen schreiben, aber plötzliches Staubsaugen bringt mich total raus.)

Neu waren aber eben viele solche Geräusche, die sonst nicht da sind, weil ich im Homeoffice normalerweise alleine bin. Alle zehn Minuten von einem "Maaaama!"-Ruf unterbrochen zu werden, während ich versuche, den Fehler in einem Programmiercode zu finden, weil das Bild mehr Platz einnimmt, als es sollte – das war meiner Konzentration nicht gerade zuträglich. Aber ich habe bald eingesehen, dass es gar nichts bringt, es neben den Kindern zu versuchen. Deshalb waren Nacht- und Wochenendschichten angesagt – und meine Kraftreserven entsprechend schnell aufgebraucht.

 

Ganz ehrlich: Ich war froh, als die Auftragslage ein wenig eingeknickt ist. Und auch darüber, dass ich ohnehin gerade gar nicht schreiben wollte oder musste. Es war gut, dass ich mich irgendwann mehr auf die Kinder konzentrieren konnte. Darüber, dass die Kleine irgendwann wieder in den Kindergarten durfte, habe ich mich gefreut. Den Schulöffnungen blickte ich eher skeptisch entgegen. Jetzt im Nachhinein bin ich tatsächlich der Ansicht: Es wäre besser gewesen, in den Unter- und Oberstufen das Distance Learning bis zum Schulschluss beizubehalten. Durch die Regelung mit dem Reißverschlusssystem hatten die Kinder zwar teilweise ihre sozialen Kontakte zurück, aber das Leben der Eltern hat es in Wirklichkeit nur komplizierter gemacht. Ich wusste an kaum einem Tag beim Aufstehen, ob die Buben in die Schule müssen oder nicht. Für das Distance Learning hatten wir aber einen guten Rhythmus und die beiden haben extrem diszipliniert gearbeitet.

Andererseits habe ich mit der Öffnung der Schulen auch etwas zurückbekommen: zwei bis drei stille Vormittage in der Woche. Ich wollte zuerst "freie" schreiben, aber das stimmt ja nicht. Auch "ruhig" ist nicht das richtige Wort. Still stimmt. Um mich herum war es endlich wieder still, während ich versucht habe, alles zu erledigen, was angefallen ist oder sich gar schon aufgestaut hat. Aber neben allen Dingen, die neu dazugekommen sind, neu organisiert werden mussten, war das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

 

Tatsache ist: Hinter mir liegt die erste Arbeitswoche, in der ich wieder annähernd an mein normales Pensum herangekommen bin. Sechs Wochen nach Schulöffnung und trotz kranker Kinder zuhause. So lange hat es gebraucht, bis ich meine innere Arbeitsblockade überwinden und wieder motiviert arbeiten konnte. Was notwendig war, habe ich auch davor gemacht. Diese Woche war endlich mein gewohnter Elan zurück.

Aus Gesprächen mit anderen Frauen weiß ich, dass es vielen ähnlich ergangen ist. Die Rückkehr zum Alltag war schwierig, Termine jeglicher Art auf einmal eine Belastung, bei Selbstständigen die Überwindung zu arbeiten groß. Dinge, die bis dahin selbstverständlich waren, fielen den Frauen, mit denen ich gesprochen habe, plötzlich schwer. Ich bin nicht sicher, ob das ein weibliches Problem ist oder ob auch Männer mit einer innerlichen Blockade zu kämpfen hatten. Jedenfalls betrifft es nicht nur Mütter.

 

In dieser Situation tut es doppelt gut, Lob für seine Arbeit zu erhalten. Ich hatte diese Woche mehrere Telefonate mit Kundinnen und im letzten (Besprechung des Feinschliffs einer fast fertigen Website) fiel so oft der Satz "Sie sind so gut", dass ich es am Ende wirklich geglaubt habe.

Ja, ich bin gut. Ich habe in den letzten zehn Jahren verdammt viel gelernt – insbesondere, wie ich meine Stärken am besten einsetze. Ich denke anders als andere Programmierer, ich höre genau zu und ich behalte stets das große Ganze im Auge, achte dabei aber auch auf Feinheiten. Und: Es macht mir großen Spaß, diese Fähigkeiten für meine Kundinnen einzusetzen, und noch größeren, wenn sie es zu schätzen wissen.

 

Lob steigert unsere Motivation deutlich. Deshalb wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, um anderen auf die Schulter zu klopfen und ein Lob auszusprechen. Vielleicht erleichtern wir uns so gegenseitig die Rückkehr in den Alltag und geben einander Kraft und Durchhaltevermögen.

Denn auch, wenn vieles wieder normal ist, vorbei ist es noch lange nicht.